Betreff
Antrag auf Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow (östlich der Saaßer Chaussee)
Vorlage
452/1
Aktenzeichen
612605ST:Saaßer Chausee Loger Straße
Art
Sitzungsvorlage Stadt

I.

 

1.)

 

a)         Der Eigentümer des rund 25.600 m² großen Grundstücks Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow, belegen unmittelbar östlich der Saaßer Chaussee (B 248), beantragte mit Rechtsanwaltsschreiben der Kanzlei Guthke, Dr. Zickendraht-W. & Kollegen vom 17. Juli 2008, für das vorbezeichnete Grundstück einen Bebauungsplan mit dem ausdrücklichen Ziel aufzustellen, das Grundstück mit einem Lebensmittelmarkt bebauen zu wollen. Entsprechend wurde bei der Samtgemeinde Lüchow (Wendland) beantragt, in diesem Sinne den Flächennutzungsplan zu ändern.

 

b)         Mit weiterem Rechtsanwaltsschreiben vom 3. November 2008 konkretisierte der Grundstückseigentümer sein geplantes Vorhaben dahingehend, es sei die Errichtung eines Lebensmittelmarktes/Verbrauchermarktes beabsichtigt. Die Verkaufsfläche solle bei etwa 3.000 m² liegen. Hinzukommen sollen Nebenflächen für Lager, Büro- und Sozialräume in Größe von ca. 1.000 m². Vertrieben werden sollen in erster Linie Lebensmittel auf einer Verkaufsfläche von ca. 2.500 m², daneben Drogerieartikel auf ca. 200 m², Tafel-, Küchen-, und Haushaltsgeräte auf etwa 50 m², Hartwaren auf einer Fläche von ca. 100 m² sowie Textilien und Schuhe auf 50 m² Verkaufsfläche; die Kassenzone soll in etwa 100 m² umfassen.

 

2.)        Bereits im Jahr 2007 gab es eine Anfrage des Eigentümers des genannten Grundstücks zu dessen möglicher baulicher Nutzung. Hierzu teilte die Stadt Lüchow/Wendland dem Grundstückseigentümer mit Schreiben vom 3. Dezember 2007 mit, dass die Realisierung eines „nicht innenstadtrelevanten“ Möbelmarktes für möglich erachtet werde.

 

II.

 

Dem Begehren, für das genannte Grundstück einen Bebauungsplan zur Realisierung eines Lebensmittelmarktes/Verbrauchermarktes im oben genannten Sinne (vgl. Ziffer I. 1.) b) aufzustellen, kann nicht entsprochen werden, weil insofern zwingende rechtliche Vorgaben entgegenstehen:

 

1.)        Das vom Grundstückseigentümer geplante Vorhaben würde den Grundzügen der Bauleitplanung widersprechen, wie sie in § 1 Absatz 3 BauGB verankert sind. Nach dieser Vorschrift dürfen Bebauungspläne nur aufgestellt werden, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Flankierend ist hierzu gesetzlich geregelt, dass auf die Aufstellung von Bauleitplänen kein Rechtsanspruch besteht und ein solcher auch nicht durch (städtebaulichen) Vertrag begründet werden darf/kann.

 

Vorliegend würde die Errichtung eines Lebensmittelmarktes/Verbrauchermarktes auf dem Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow in der seitens des Grundstückseigentümers beschriebenen Form der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung i. S. d. § 1 Absatz 3 BauGB widersprechen. Denn zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln bedarf es keiner weiteren Flächen zur Errichtung von Lebensmittelmärkten/Verbrauchermärkten, insbesondere nicht an dem vorgesehenen Standort in Stadtrandlage.

 

2.)       Vor allem stehen dem beabsichtigten Vorhaben eines Lebensmittelmarktes/Verbrauchermarktes auf dem Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow übergeordnete Planungsziele sowohl des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen als auch des Regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Lüchow-Dannenberg entgegen (§ 1 Abs. 4 BauGB):

 

a)         Das aktuelle Landes-Raumordnungsprogramm Niedersachsen - Teil II - i. d. F. der Änderungsverordnung vom 21. Januar 2008 macht in Ziffer 2.3 „Entwicklung der Versorgungsstruktur“ die Zielvorgabe, dass neue Einzelhandelsgroßprojekte ausschließlich innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes des jeweiligen zentralen Ortes zulässig sind (Konzentrationsgebot). Zudem sind neue Einzelhandelsgroßprojekte, deren Kernsortimente innenstadtrelevant sind, nur innerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zulässig (Integrationsgebot). Diese Flächen müssen in das Netz des öffentlichen Personennahverkehrs eingebunden sein.

 

In den Erläuterungen zu diesen Zielen der Raumordnung wird ausgeführt, der Begriff „Einzelhandelsgroßprojekte“ umfasse Einkaufszentren und großflächige Einzelhandelsbetriebe gemäß § 11 Absatz 3 Nummern 1 bis 3 BauNVO sowie Agglomerationen verschiedener Einzelhandelsbetriebe auch unterhalb der Schwelle der Großflächigkeit, die entsprechende raumbedeutsame Auswirkungen hervorrufen. Leitvorstellung der Raumordnung sei ein attraktiver und funktionsfähiger Handelsplatz „Innenstadt“ und damit einhergehend eine nachhaltige Nutzung der vorhandenen Siedlungs- und Versorgungsstrukturen. Deshalb seien Einzelhandelsgroßprojekte mit innenstadtrelevanten Kernsortimenten nur in sog. integrierten Lagen zulässig. Als zentralrelevant in diesem Sinne werden insbesondere Genuss- und Lebensmittel, Getränke, Drogerieartikel, Kosmetika und Haushaltswaren beschrieben. Nur neue Einzelhandelsgroßprojekte mit nicht innenstadtrelevanten Kernsortimenten - in diesem Zusammenhang werden unter anderem Möbelmärkte genannt - sollen unter bestimmten einschränkenden Voraussetzungen ausnahmsweise auch außerhalb der städtebaulich integrierten Lagen zugelassen werden.

 

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass ein Bebauungsplan für das Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow mit dem Ziel der Errichtung eines Lebensmittelmarktes/Verbrauchermarktes gegen die Ziele des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen verstoßen würde. Denn der geplante Lebensmittelmarkt/Verbrauchermarkt soll nach den ergänzenden Angaben des Grundstückseigentümers vom 3. November 2008 im Wesentlichen dem Vertrieb von Lebensmitteln dienen, im Übrigen sollen auch Drogerieartikel und Haushaltswaren als zentralrelevante Sortimente angeboten werden. Dieses Gesamtsortiment wäre nur in einer sog. städtebaulich integrierten Lage zulässig. Dies trifft auf das Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow eindeutig nicht zu. Dieses Grundstück ist außerhalb des zentralrelevanten Innenstadtbereichs von Lüchow (Wendland) gelegen und stellt zurzeit Außenbereichsfläche i. S. d. § 35 BauGB dar.

 

Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens der Stadt Lüchow (Wendland) „Am Kleinbahnhof/Saaßer Chaussee“ wurde für einen deutlich innenstadtnäheren Bereich westlich der B 248 im Rahmen der Abwägung bereits hervorgehoben, jenes Plangebiet habe aus städteplanerischer Sicht nur im Nordwesten im Bereich des dort schon vorhandenen Baumarktes die Merkmale eines integrierten Standortes mit Innenstadtbezug aufgewiesen; im Südosten an der Saaßer Chaussee wurden die Merkmale eines nicht integrierten Standortes festgestellt. Da die vorliegend betroffene Fläche (Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow) noch deutlich weiter vom Innenstadtbereich abgesetzt ist, muss hierfür Entsprechendes erst recht und in gesteigertem Maß gelten.

 

b)         Nichts anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des ebenfalls gem. § 1 Absatz 4 BauGB zu beachtenden Regionalen Raumordnungsprogramms 2004 des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Darin ist in den regionalen Zielen bzw. Grundsätzen der Raumordnung verankert, dass Einzelhandelsbetriebe mit Lebensmitteln einschließlich Randsortimenten mit Verkaufsflächen über 800 m² nur in Mittel- und Grundzentren sowie mit über 1.500 m² Verkaufsfläche nur in Mittelzentren betrieben werden dürfen. Dabei darf die städtebaulich integrierte Einkaufsmittelpunktfunktion im Ortskern eines zentralen Ortes - die Stadt Lüchow (Wendland) ist Mittelzentrum - durch Einzelhandelsbetriebe mit zentralrelevanten Sortimenten im Randbereich eines solchen Ortes nicht beeinträchtigt werden. In den Erläuterungen hierzu wird wiederum ausgeführt, dass gerade Nahrungs- und Genussmittel typischerweise zentralrelevante Sortimente sind.

 

Auch unter Würdigung des Regionalen Raumordnungsprogramms 2004 des Landkreises Lüchow-Dannenberg ist festzustellen, dass ein Lebensmittelmarkt / Verbrauchermarkt auf dem Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow, welches eindeutig im Randbereich der Stadt Lüchow (Wendland) liegt, nicht zulässig wäre, weil dadurch die städtebaulich integrierten Einkaufsmittelpunktfunktionen im Ortskern beeinträchtigt würden. Dies widerspräche dem raumordnerischen Bestreben, durch die genann­ten Standortanforderungen sicherzustellen, dass die Versorgungsstruktur im Verflechtungsbereich zentraler Orte durch Raumkonkurrenzen (außerhalb der Innen­stadtbereiche) nicht gefährdet oder beeinträchtigt wird und dass auch für die nicht motorisierte Bevölkerung in zumutbarer Entfernung eine angemessene Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen des täglichen Lebens nachhaltig und langfristig sichergestellt ist und bleibt.

 

3.)        Ein entsprechender Bebauungsplan, wie er vom Eigentümer des Flurstücks 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow gewünscht wird, würde mithin gegen die verbindliche rechtliche Planungsvorgabe des § 1 Absatz 4 BauGB verstoßen, wonach Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind, das heißt, diesen nicht widersprechen dürfen.


Der Ausschuss für Umwelt, Bebauung und Grundstücksangelegenheiten beschließt, dem Verwaltungsausschuss zu empfehlen, dem Rat vorzuschlagen, folgenden Beschluss zu fassen:

 

Der Rat der Stadt Lüchow (Wendland) beschließt, die für das Flurstück 1, Flur 23, Gemarkung Lüchow, beantragte Aufstellung eines Bebauungsplanes nicht vorzunehmen, da zwingende rechtliche Vorgaben entgegenstehen.